Page 12 - lucy und das wesen der dinge leseprobe
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Gedanken um mein verpatztes Leben kreisen, gleiten
meine Blicke ab ins Nirgendwo. Die Straßen sind voller
Menschen. Sie ziehen mit emotionslosen Mienen, die
Kragen weit hochgezogen antriebslos durch das kühle
Grau der Stadt.
War das schon alles? Sieht das Leben so aus? Sich
tagein tagaus für die Miete, Versicherungen und, wenn
es gut läuft, für einen Jahresurlaub zu einem Job hinzu-
schleppen und abends ausgelaugt nach Hause vor den
Fernseher zu eilen?
*
In meiner schlichten Zweizimmerwohnung angekommen,
lasse ich mich auf das Sofa fallen. Die Wohnung ist zweck-
mäßig eingerichtet und mittelprächtig gemütlich mit
ihren kahlen Wänden und dem grauen Teppich aus dem
Baumarkt. An einer Wand stehen ein paar Bilder ange-
lehnt und warten seit Wochen darauf, einen geeigneten
Platz im Raum zu erhalten. Die braune Kommode und der
Wohnzimmertisch stammen noch von meinem Vorgän-
ger. Ich bin in dieser Wohnung nie richtig angekommen.
Mit der hereinbrechenden Dämmerung fällt mir das
kleine, rote Lämpchen an meinem Anrufbeantworter auf,
welches fast hypnotisierend aufblinkt. Mit einem Seufzer
stehe ich auf und gehe zum Gerät.
Seltsam, eine ausländische Nummer wird auf dem Dis-
play angezeigt. Jetzt ist meine Neugier geweckt und ich
lasse die Ansage laufen.
»Hola, hier spricht Pedro aus Spanien. Ich bin ein
Freund Ihres Vaters. Bitte kontaktieren Sie mich so
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