Page 13 - lucy und das wesen der dinge leseprobe
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schnell wie möglich unter dieser Nummer. Es ist wichtig.
            Hasta luego, Señora Lucera.«
               Regungslos  schaue  ich  mit  starren  Augen  auf  den
            Anrufbeantworter. Vater? Wie lange habe ich nichts von
            ihm gehört? Es müssen 16 Jahre vergangen sein. Damals
            hatte ich den Kontakt abgebrochen. Ich konnte es nicht
            mehr ertragen. Ich konnte ihn nicht mehr ertragen.

            Da mir nicht klar ist, ob und wie ich auf das Telefonat rea-
            gieren soll, mache ich erstmal nichts. Müde von den Ereig-
            nissen des Tages ziehe ich mich ins Schlafzimmer zurück.


            Erinnerungen  kommen  hoch.  Spanien!  Unsere  Familie
            hat  es  immer  schon  in  dieses  Land  gezogen.  Als  Kind
            habe ich dort meine Ferien verbracht. Bei meiner Oma,
            die  damals  in  einem  kleinen  Ort  in  Andalusien  lebte.
            Obwohl manch einer sie für etwas sonderbar hielt, habe
            ich sie abgöttisch geliebt. Bei ihr lernte ich zum ersten
            Mal Geborgenheit kennen.
               Das ist alles schon so lange her. Die Gedanken an die
            warmen und herzlichen Momente in dem kleinen Fischer-
            ort lassen mich in einen tiefen, von Träumen begleiteten
            Schlaf sinken. Im Traum sehe ich den großen, steilen Fel-
            sen, von dem ich schon oft geträumt habe. Er ist von Wasser
            umgeben. Am Fuße des Felsgesteins ist ein Mann. Seine
            gebeugte Haltung verrät sein hohes Alter. Er steht nur da
            und scheint auf etwas zu warten. Oder auf jemanden?

            Es  ist  fast  11  Uhr,  als  ich  mich  verschlafen  aus  dem
            Bett  wälze.  Der  Spiegel  im  Badezimmer  ist  gnadenlos:
            Die Ränder unter den Augen habe ich von der stupiden




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