Page 16 - lucy und das wesen der dinge leseprobe
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nächsten Bäcker. Am Kiosk springt mir eine Werbung
für sagenhaft günstige Flüge aufs spanische Festland ins
Auge. Soll das ein Zeichen sein? Ach was, ich glaube nicht
an so etwas. Dazu kommt, dass ich nicht gerne fliege. In
einer engen Dose, dicht an dicht eingesperrt durch die
Lüfte zu düsen, ist mir nicht geheuer.
Mit einem Brötchen in der Hand schlendere ich gedan-
kenverloren durch die Straßen. Es ist Frühling, doch für
diese Jahreszeit viel zu kalt. Schützend ziehe ich meine
Schultern nach oben. Wie lange bin ich nicht mehr in Spa-
nien gewesen? Damals war ich noch ein Kind.
Eine Spur neugierig bin ich schon, wie Vater die letz-
ten Jahre gelebt hat. Hat er eine neue Familie gegründet?
Hat er es bereut, was er mir angetan hatte?
Etwas in meinem Inneren sagt mir, dass ich weitaus
mehr Antworten erhalten werde, als mir Fragen durch
den Kopf gehen, wenn ich nach Spanien reise.
»Mhh, was nun, Lucy? Du hast hier gerade nichts zu
verlieren.« Ich könnte meine Sachen Packen und losfah-
ren. Vom Museum erhalte ich noch eine Abfindung. Das
Finanzielle wäre also gesichert. Es ist Mai und damit die
schönste Zeit im Jahr. Die Vorstellung mit einem Sangria
in der Hand am Meer zu sitzen ... klingt gerade sehr ver-
lockend. Na ja, und ganz nebenbei kann ich dort meine
Neugier bezüglich Vaters Leben stillen. Vielleicht schaffe
ich es sogar rechtzeitig zu seiner Beerdigung. Auch wenn
ich es mir im Moment nicht eingestehen will: Eine kleine
Stimme ganz tief in mir äußert diesen Wunsch.
Ok, ich frage diesen Pedro nach der Adresse in Spanien.
Es kann ja nicht schaden, mal auf der Karte zu schauen,
wo dieser Ort liegt.
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